Ein Interview mit Andreas Barra, IT-Chef des Pestalozzi-Fröbel-Hauses
Seit dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr hatte Andreas Barra kaum Freizeit mehr, sondern er suchte den leergekauften Markt gemeinsam mit seinem Team nach Webcams und Headsets ab, er erklärte digital nicht immer erfahrenen Kolleg*innen, wie Videokonferenz-Tools funktionieren und löste technische Probleme rund ums mobile Arbeiten. Im Interview erzählt er, warum er Zoom nicht als Videokonferenz-Anbieter akzeptiert, wie künftig Online-Unterricht an den PFH-Schulen funktionieren soll, was er sich von der Berliner Datenschutzbeauftragten wünscht und wie seine weiteren Pläne für die digitale Zukunft des PFH aussehen.
Plötzlich rufen alle nach Videokonferenzen, technischer Ausstattung für mobile Arbeit, VPN-Zugängen. Wie hast Du als IT-Chef die letzte Zeit, die letzten Monate erlebt?
Andreas Barra: Corona hat uns natürlich auch überrollt. Zum Glück hatten wir 2019 unsere komplette Campus-Infrastruktur umgearbeitet, so dass wir rasch mobile Arbeit über VPN-Zugänge ermöglichen konnten, als der Lockdown kam. Doch bei dem Thema Videokonferenzen hatten wir Schwierigkeiten, genauso wie viele andere auch.
Was war so schwierig bei der Ermöglichung von Videokonferenzen?
Andreas Barra: Die Corona-Pandemie ist auf einen Markt getroffen, den es zuvor nicht wirklich gab. Videokonferenzen waren ein Nischenmarkt. Zoom z.B. kannten vor einem Jahr zu dieser Zeit nur wenige. So hatten wir jene Probleme, die im Prinzip alle hatten: geeignete Produkte bzw. Tools zu finden, die Videokonferenzen ermöglichten, und das schnell. Das betraf erst einmal die Hardware: Wir benötigten Webcams und Headsets, aber da war in kürzester Zeit alles ausverkauft. Im März und April – der Zeit des Lockdowns – war fast nichts mehr lieferbar. Wir haben deswegen Bestellungen bei vielen verschiedenen Anbietern gleichzeitig in die Wege geleitet, um möglichst rasch die Ausstattung zu erhalten, teilweise bekommen wir erst jetzt die Hardware. Noch schwieriger gestaltete sich dann aber die Suche nach geeigneter Software, das heißt die Suche nach geeigneten Tools für Videokonferenzen.
Du empfiehlst als Tools für Videokonferenzen WebEx und Jitsi, aber ausdrücklich nicht Zoom. Dieser Anbieter wird von Dir nicht akzeptiert als offizielles Tool für das PFH. Und das, obwohl Du selbst sagst, dass Zoom am besten funktioniert. Was sind Deine Gründe hierfür?
Andreas Barra: Als öffentliche Einrichtung unterliegen wir dem Berliner Datenschutz. Als es losging mit Corona und den Videokonferenzen, wurde Zoom von allen möglichen Datenschützern aus unseren Bundesländern, aber auch aus anderen europäischen Ländern, als empfehlenswerte Anwendung ausgeschlossen. Es gab von allen Seiten Datenschutzbedenken. Dafür empfahlen die Datenschutzbeauftragten andere Video-Plattformen für die Anwendung in ihren Bundesländern, z.B. WebEx. Die Berliner Datenschutzbeauftragte, deren Weisungen wir unterliegen, hat sich leider aber anfangs gar nicht geäußert. Als der Lockdown im März kam, standen wir alleine da mit der Entscheidung, welche Anwendung wir im PFH nutzen sollen. Die erste Äußerung der Berliner Datenschutzbeauftragten erreichte uns dann im Juli, und dort untersagte sie Zoom als Anwendungsoption. Bis heute ist das der letzte Stand, sie hat sich seit Juli nicht mehr geäußert.
Was würde passieren, wenn das PFH sich nicht an die Weisungen der Datenschutzbeauftragten hält? Warum habt Ihr im März nicht einfach jenes Tool ausgewählt, was Ihr selbst für richtig haltet, wenn die Datenschutzbeauftragte sich nicht äußert?
Andreas Barra: Datenschutz ist ein sehr ernstes und wichtiges Thema, auch rechtlich betrachtet. Angenommen, jemand geht vor Gericht, weil z.B. bei einer Zoom-Konferenz ein Klarname erschienen ist und diese Person sich daran stört. Mir selbst als IT-Chef würde nichts passieren, genauso wenig den Kolleg*innen im PFH. Doch ist mit Datenschutz persönliche Haftung verbunden, und das betrifft unsere Datenschutzbeauftragte im PFH und unseren Direktor. Diese beiden würden dann große Probleme bekommen. Die Rechtsprechung war bei solchen Themen in der Vergangenheit sehr streng, da wurde kein Auge zugedrückt. Und das ist auch richtig so. Datenschutz ist nicht dazu da, um Menschen zu ärgern, sondern es ist auch in unserem Interesse, dass die Daten geschützt und sicher sind.
Was bestehen denn für Datenschutzprobleme bei Zoom? Sitzt Zoom nach Nutzung dauerhaft mit in meinem Arbeitszimmer, wird z.B. gespeichert, was ich im Hintergrund für Möbel habe, wer reinkommt…. wie kann kann man sich das vorstellen?
Andreas Barra: So krass vielleicht nicht, Zoom ist nicht Google oder Facebook und hat ein anderes Geschäftsmodell. Das Problem aber ist: Man weiß nicht so richtig, was Zoom mit den Daten macht. Der bestehende Datenvereinbarungsvertrag bei Zoom ist schwammig. Die ganze Datenverarbeitung läuft über amerikanische Server, das heißt, was da wirklich gesammelt wird und was mit den Daten passiert, bleibt unklar. Zoom ist deshalb populär, weil es eine relativ gute Qualität mit einem starken Codec bietet. Diese gute Qualität hat allerdings ihren Preis. Andere wie z.B. WebEx und Jitsi garantieren eine starke Verschlüsselung, durch welche die Videokonferenzen sicher sind. Das alles macht Zoom nur mangelhaft. Bei Zoom sind Videokonferenzen ein vergleichsweise offener Vorgang, und nur dadurch kann Zoom eine so gute Qualität anbieten, oberflächlich betrachtet. Das ist der Grund, warum Zoom so super läuft. Bei WebEx und Jitsi hatten wir insbesondere zu Beginn technische Probleme bei der Nutzung, z.B. weil der Ton nicht gut wiedergegeben wurde oder weil immer mal wieder jemand aus dem Treffen gekickt wurde und sich neu einloggen musste. Die Nutzerfreundlichkeit hat sich aber stark verbessert in der letzten Zeit.
Welche Tools werden für den digitalen Unterricht in den beruflichen Schulen des PFH genutzt? Welche Weiterentwicklungen sind hier geplant?
Andreas Barra: Unsere beruflichen Schulen nutzen eine Moodle-Plattform für den digitalen Unterricht. Das funktioniert, so wie ich das bisher mitbekommen habe, gut. Was noch fehlt ist eine digitale Whiteboard-Konferenz, wir denken da in Richtung BigBlueButton. Das ist eine Open-Source-Plattform, mit der man hervorragend digitalen Unterricht inklusive der Nutzung eines Whiteboards gestalten kann und bietet eine ausgezeichnete Integration in das vorhandenen Moodle der Schule. Bei unseren bisherigen Videokonferenz-Tools wie WebEx und Jitsi kann man zwar auch den Bildschirm teilen, aber ein integriertes Whiteboard bietet doch noch einmal viel mehr Möglichkeiten und ist daher für Schulen geeigneter. Wir haben bereits in Zusammenarbeit mit einer Lehrkraft versucht, solch ein System aufzuziehen. Leider mussten wir allerdings feststellen, dass das mit unserer aktuellen Infrastruktur noch nicht möglich ist. Wir müssen warten, bis wir auf dem Campus einen bereits beantragten Glasfaser-Anschluss haben, dann können wir BigBlueButton anbieten.
Warum kann man den benötigten Glasfaser-Anschluss nicht rasch ermöglichen, warum ist das schwierig?
Andreas Barra: Schwierig ist das vergaberechtlich nicht. Das Problem ist, dass die Glasfaserleitungen hier in unserer Straße noch nicht verlegt sind. Der Campus des PFH befindet sich in einem Stadtteil mit relativ viel Altbestand. Da sind die Glasfaserkabel nicht standardmäßig in der Erde verlegt. Das heißt, wenn man diesen Glasfaseranschluss beantragt, muss erst die Straße aufgebuddelt werden, damit so ein Kabel gelegt wird. Zuerst muss das Tiefbauamt in Schöneberg die Genehmigung geben, dass die Straße und der Gehweg aufgerissen werden können, um vom Anschlusskasten eine Glasfaserleitung zu uns in die Gebäude zu legen. Wir haben den Glasfaseranschluss bereits beauftragt, die Firmen haben sich das auch schon angeguckt. Jetzt muss der Bezirk die Tiefbauarbeiten noch genehmigen. Es ist also alles in der Mache.
Kann man dieses Genehmigungsverfahren nicht beschleunigen, um möglichst rasch den digitalen Unterricht zu verbessern?
Andreas Barra: Auf das Genehmigungsverfahren haben wir keinen Einfluss, das läuft nicht über uns. Die Netzkabelbetreiber sind hier sind die Auftraggeber und klären solche Prozedere mit den zuständigen Behörden. Genehmigungen dauern immer. Und zurzeit werden sie sogar relativ zügig vergeben. Normalerweise muss man für die Realisierung eines Glasfaseranschlusses ungefähr ein Jahr rechnen. Als wir erfahren haben, dass wir den Glasfaseranschluss nicht wie geplant über den Digitalpakt beantragen können, sind wir daraufhin direkt in eine Ausschreibung gegangen. Wir werden höchstwahrscheinlich Anfang nächsten Jahres den Glasfaseranschluss bekommen. Das ist relativ zügig für den Aufwand, der dahintersteckt.
Dann kann die Schule also aller Voraussicht nach Anfang nächsten Jahres auch BigBlueButton für den Unterricht nutzen?
Andreas Barra: So ist es geplant.
Wie hast Du die vergangenen Monate persönlich empfunden? Brachten sie vor allem Stress für Dich und für Deine Mitarbeiter, oder habt Ihr Euch auch gefreut über die digitale Weiterentwicklung im PFH, die als Konsequenz aus all der Arbeit hervorging?
Andreas Barra: Beides. Also was in dem letzten halben Jahr an digitaler Entwicklung umgesetzt wurde, das wäre unter normalen Umständen nicht möglich gewesen, das freut mich persönlich schon. Doch waren die letzten Monate für mich auch sehr surreal. In meinem ganzen Freundes- und Familienkreis haben alle erzählt: Wir fahren jetzt runter, wir gehen auf Teilzeit, machen Home-Office. Alle hatten plötzlich mehr Zeit und waren viel öfter zu Hause. Bei mir war genau das Gegenteil der Fall. Ich hatte kaum Freizeit mehr. Ich habe hier im PFH meine Arbeit erledigt, habe organisiert und erklärt, und zu Hause tüftelte ich dann daran herum, wie ich die VPN-Verbindung und das Netzwerk aufbauen kann oder Systeme und Anwendungen bereitstellen kann, bis ich irgendwann ins Bett gefallen bin. Und am nächsten Morgen ging alles wieder von vorne los. Das muss ich nicht nochmal haben… Ich bin um Jahre gealtert.
Was waren für Dich rückblickend betrachtet die größten Herausforderungen?
Material zu beschaffen und mobiles Arbeiten zu ermöglichen, und das Ganze zeitnah. Wir konnten ja nicht sagen: Wir kümmern uns darum und in zwei, drei Wochen könnt Ihr damit arbeiten. Sondern wir waren mit dem Lockdown konfrontiert, und die Lösungen mussten sofort parat sein. An dieser Stelle möchte ich auch meinen Mitarbeitern einen großen Dank aussprechen. Sie haben unglaublich toll gearbeitet und Hervorragendes geleistet. Auch die Verwaltung hier im Haus hat uns wirklich unterstützt und war sehr lösungsorientiert. Vieles haben wir über einen kurzen Dienstweg realisieren können, was uns in dieser Krisenzeit ein schnelles und effektives Handeln ermöglichte.
Was sind Deine Pläne und Ziele für die digitale Zukunft des PFH? Du hast ja einiges vor, könntest Du die wichtigsten Punkte kurz vorstellen?
Andreas Barra: Mein größtes und wichtigstes Anliegen ist, dass die Infrastruktur des PFH zusammenwächst, so dass wir auch den vielen Einrichtungen außerhalb unseres Hauptgeländes Dienstleistungen und Support wie hier auf dem Campus anbieten können. Alle Einrichtungen sollen über ein einziges Netzwerk miteinander verbunden werden, so dass sie Anwendungen und Zugriffe teilen können. Das betrifft auch die Telefonie, teilweise haben die Einrichtungen noch eigene Telefonverträge, und das Smartphone funktioniert besser als die Festnetzanschlüsse. Das muss sich alles ändern. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Realisierung der PFH-Cloud. Des Weiteren möchten wir Standards für eine einheitliche Netzwerk- und Telefonie-Infrastruktur schaffen und die Hardware-Ausstattung aller PC-Arbeitsplätze auf ein einheitliches Level angleichen. Dazu gehört auch eine Definition und Optimierung aller IT-Prozesse im PFH. Ziel ist eine Steigerung der Qualität bei der Nutzung von IT-Dienstleistungen, eine schnellere Beseitigung von Störungen und ein rascher, innovativer Umgang mit neuen Anforderungen und Möglichkeiten.
Die PFH-Cloud habt Ihr vor einigen Wochen gestartet. Kannst Du sie kurz vorstellen?
Andreas Barra: Die PFH-Cloud ermöglicht es allen Mitarbeiter*innen des PFH, zusammen an Dokumenten und an Projekten zu arbeiten, und das komplett unabhängig vom Standort. Man hat die Möglichkeit, seine Arbeitsunterlagen in die Cloud zu stellen, auf Arbeitsgeräten zu nutzen in den Einrichtungen oder, falls jetzt wieder ein Lockdown kommt, kann man von zu Hause aus zusammen an Arbeitsmaterialien arbeiten. Das kann man auch direkt online machen. Es ist nicht erforderlich, dass man z.B. eine Office-Installation auf dem Rechner hat, d.h. man kann eine Office-Anwendung im Browser nutzen und zusammen an den Dokumenten arbeiten. Über die Cloud werden auch Dienste wie ein Messanger oder eine Passwortverwaltung angeboten. Für die Zukunft ist es geplant die Cloud noch weiterauszubauen, mehr Speicher anzubieten und weitere Anwendungsmöglichkeiten zu implementieren.
Welche Art von Unterstützung wünscht Du Dir für die nächsten Monate?
Andreas Barra: Hilfreich und wichtig ist es für uns, dass sich die Berliner Datenschutzbeauftragte zu aktuellen Fragen rasch und regelmäßig äußert. Ihre letzte Aussage hat, wie ich eingangs erwähnt habe, den Stand vom Juli diesen Jahres. Seitdem haben sich aber z.B. die Anbieter von Videokonferenzen bewegt. Gerade auch Zoom hat nachgebessert. Als Stiftung öffentlichen Rechts müssen wir uns aber immer auf den letzten Stand der Regelungen der Berliner Datenschutzbeauftragten beziehen. Darüber hinaus ist unser größtes Problem aktuell der Personalmangel. Finanziell stehen wir recht gut da, die Rahmenbedingungen sind einwandfrei. Doch es fehlt einfach an der Zeit. Zum Beispiel würde ich gerne schon jetzt damit beginnen, den ersten externen Standort des PFH an unser Netzwerk anzubinden. Das Umstellen des Netzwerkes und der Telefonie, Anbindung an die Campusinfrastruktur, Einrichtung von Konten, Verzeichnissen und Berechtigungen würde aber circa drei Wochen Arbeit für einen meiner Mitarbeiter kosten. Da brauche ich gar nicht darüber nachdenken, woher ich die Zeit nehmen soll, wir haben sie einfach nicht. Der ganz große Bedarf, den wir haben, ist mehr Personal.