Ralf Stapelfeldt im Interview
Sie haben sowohl Betriebs- und Volkswirtschaft als auch Philosophie studiert. Wie kam es zu dieser besonderen Wahl?
Ralf Stapelfeldt: Philosophie habe ich erst begonnen zu studieren, nachdem ich schon fast 20 Jahre im Bankenbereich tätig war. Meine erste Studienwahl war Betriebs- und Volkswirtschaft, und diese war begründet durch mein großes Interesse an kaufmännischen Themen. Doch irgendwann entstand bei mir der Wunsch, mich verstärkt mit Themen außerhalb des Ökonomischen, außerhalb des rein Finanziellen zu beschäftigen. Und so absolvierte ich über die Fernuniversität Hagen das Philosophiestudium.
Wo sehen Sie die Verbindung zwischen Ihren beiden Studienbereichen?
Ralf Stapelfeldt: Philosophie beschäftigt sich zum Beispiel mit Ethik, mit der Frage des richtigen Handelns. Und das ist etwas, was nun gerade bei allem wirtschaftlichem Handeln auch eine Rolle spielt bzw. eine Rolle spielen sollte. Mich hat es interessiert, mir das auch von einer wissenschaftlichen Seite anzuschauen: Wie finden wir heraus, wie wir handeln sollen? Welche Ansätze gibt es? Was ist richtig, was ist falsch?
Welche Philosoph*innen beeinflussen Ihre Arbeit und Ihr sonstiges Tun am meisten, und warum ist das so?
Ralf Stapelfeldt: Es gibt viele Philosoph*innen, die ich hier nennen könnte. Zu den Klassikern zählt Aristoteles. Was dieser Mensch vor über 2.300 Jahren gesagt hat, wirkt für uns bis heute erstaunlich aktuell. Beispielsweise finde ich seine Gedanken zu Maß und Mitte auch heute noch treffend: Die Tugend des Maßhaltens ist den Extremen wie etwa Geiz oder Gier vorzuziehen. Ein anderer Aspekt, den er in seiner Glücksethik herausstellt, ist die Idee, das Vortrefflichste des Menschen, für Aristoteles der Verstand, vom Potential in den Akt zu überführen. Was heißt das? Der Mensch soll seine Potenziale bestmöglich entfalten. Und hier können wir einen direkten Bezug zum PFH und dem Early Excellence Ansatz herstellen. Jedes Kind hat ganz besondere Potenziale, die wir fördern können, damit sie sich entfalten. Wir bieten jungen und auch älteren Menschen Bildung an, machen sie auf ihre Möglichkeiten aufmerksam.
Ein anderer Klassiker, von dem wir immer wieder lernen können, ist Kant. Einer seiner berühmten Aussprüche ist: Sapere aude. Habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen. Das ist eigentlich auch nichts anderes als das, was wir tun, wenn wir Menschen ausbilden, wenn wir sie erziehen. Wir möchten sie individuell fördern und ihnen helfen, sich selbst zu befähigen.
Diese Ideen passen gut zum Pestalozzi-Fröbel-Haus. Die pädagogische Konzeption unserer Gründerin Henriette Schrader-Breymann war im 19. Jahrhundert u.a. geprägt von den Werten der Aufklärung, von Rousseau und Voltaire. Kinder sollten nicht nur gehorchen müssen, sondern die Freiheit und den Mut haben, selbst zu denken.
Ralf Stapelfeldt: Ja, das war auch der Grundgedanke von Friedrich Fröbel, „freie, denkende, selbständige Menschen“ zu erziehen. Das harmoniert mit dem kantischen Gedanken „sapere aude“. Das Bestreben ist, immer wieder dazu zu lernen, neugierig zu bleiben. Das ist ja im Grunde das, was die Philosophie als Ganzes auszeichnet. Philosophie ist die Liebe zur Weisheit, die Liebe zum Wissen. Das ist genau das, was mich angetrieben hat, Philosophie zu studieren.
Warum haben Sie sich entschieden, von der Finanzdienstleistungsbranche ins Pestalozzi-Fröbel-Haus zu wechseln?
Ralf Stapelfeldt: Ich habe meine bisherige Arbeit gern gemacht. Aber irgendwann kam der Moment, wo ich mir darüber klar wurde, dass ich nochmal etwas anderes tun möchte. Ich wollte etwas Neues kennenlernen und gleichzeitig die Erfahrungen und Kenntnisse, die ich habe, einbringen können. Als ich mich dann umgeschaut und mir Stellenanzeigen angesehen habe, ist mir irgendwann die Ausschreibung des Pestalozzi-Fröbel-Hauses ins Auge gesprungen. Und es war eine Herzensbewerbung, die ich dann geschrieben habe. Einerseits passt die Aufgabe, um die es geht, gut zu mir und meinen Erfahrungen. Zugleich arbeite ich nun in einem Umfeld sozialer Wertschöpfung, was ich bisher beruflich nicht kannte. Diese Verknüpfung aus dem Einbringen langjähriger Erfahrung und dem Lernen von viel Neuem ist es, warum ich mit großer Freude und Motivation diese Bewerbung geschrieben habe. Ich war natürlich begeistert, als es geklappt hat. Und jetzt bin ich da.
Sie sagten kürzlich, Ihnen sei insbesondere eine dienstleistungsorientierte Verwaltung wichtig. Wie sieht für Sie die ideale Verwaltung aus?
Ralf Stapelfeldt: Verwaltung ist ja kein Selbstzweck, sondern sie dient immer einem höheren Zweck. Die eigentliche Wertschöpfung findet im PFH in der Schule mit der Ausbildung von Erzieher*innen und in der Kinder- und Jugendhilfe statt. Die Verwaltung dient diesem Stiftungszweck, indem sie sich der Themen Finanzen, Personal und Gebäudemanagement annimmt. Dabei muss der Zweck immer im Vordergrund stehen, was in unserer Verwaltung schon heute die klare Leitidee ist. Ich könnte mir vorstellen, dass wir bei der Transparenz von Themen und der Kommunikation zwischen den Bereichen sogar noch etwas besser werden können. Daran wird gerade im gesamten PFH gearbeitet, und die Verwaltung wird ihren Teil dazu beitragen.
Was ist noch wichtig für Sie in einer Verwaltung?
Ralf Stapelfeldt: Mir ist Transparenz wichtig. Unseren Einrichtungen sollten z.B. die aktuelle Situation der sie betreffenden Finanzen auch in Bezug auf gewünschte Investitionen kennen. Natürlich können nicht alle Bedarfe und Wünsche zum gleichen Zeitpunkt erfüllt werden, weil das PFH begrenzte Mittel hat. Wir sind angewiesen auf öffentliche Gelder, und die sind knapp, wie wir alle wissen. Wichtig ist die Klarheit darüber, wie Bedarfe formuliert und adressiert werde können, welche davon erfüllt und welche vielleicht auch erst einmal nicht erfüllt werden können.
Zu Ihren Zielen zählt auch eine weitere Digitalisierung von Prozessen. Können Sie Beispiele nennen?
Ralf Stapelfeldt: Ein Beispiel ist, dass Kommunikation im PFH häufig noch auf dem Medium Papier stattfindet. Papier ist bei den Möglichkeiten, die die Digitalisierung uns bietet, ein eher ineffizienter Datenträger.
Gerade beim mobilen Arbeiten.
Ralf Stapelfeldt: Richtig. Pandemiebedingt arbeiten wir häufig mobil. Auch in der Zukunft wird mobiles Arbeiten durchaus eine Relevanz haben. Auch deshalb werden wir prüfen: Welche Informationen transportieren oder speichern wir künftig digital und nicht mehr auf Papier?
Ein zweites Beispiel: Es gibt in Berlin das E-Government-Gesetz. Darin steht das Ziel der Berliner Verwaltung, bis Ende 2022 alle Akten in digitale Akten umzuwandeln. Wir im PFH haben viele Akten. Die Frage wird also sein: Wie gelingt es uns, möglichst viele davon in der Zukunft zu digitalisieren? Ich bin ein großer Freund der E-Akte. Sie vereinfacht die ganze Handhabung einer Akte und natürlich auch den Zugriff darauf.
Es scheint, dass Verwaltung sowohl im beruflichen als auch im privaten Alltag in den letzten Jahren immer aufwendiger geworden ist. Nicht explizit auf das PFH bezogen, sondern ganz allgemein für Berlin betrachtet. Woran liegt das?
Ralf Stapelfeldt: Mein Ziel ist, dass wir in der Verwaltung so effizient und einfach wie möglich arbeiten. Aber natürlich gibt es eine generelle Tendenz, dass die Welt komplexer wird. Stichworte hier aus unserem Umfeld sind z.B. Regulierung am Bau, Vergaberichtlinien, Denkmal- oder Datenschutz. Diese Komplexität spiegelt sich auch in den Prozessen der Verwaltung. Aber dort, wo es möglich ist, möchten wir die Dinge verschlanken und vereinfachen. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Die Erzieher*innen vor Ort sollten sich so wenig wie möglich mit komplizierten Verwaltungsfragen beschäftigen müssen, denn ihre Aufgabe ist ja eine andere. Wir können es nicht ändern, dass viele Themen regulatorisch komplex und vielschichtig sind, aber wir können versuchen, die schwierigen Fragen für die Kolleg*innen draußen zu klären und sie so zu entlasten.
Wie definieren Sie den Begriff „Verwaltung“?
Ralf Stapelfeldt: Verwaltung ist die Organisation der Abläufe einer Institution und das Sicherstellen der notwendigen Ressourcen, bei uns also z.B. die personalen oder monetären Bedarfe.
Eine gute Fee erscheint und Sie haben drei Wünsche frei für Ihre Arbeit – was würden Sie ihr sagen?
Ralf Stapelfeldt: Ich wünsche mir motivierte, offene und kommunikative Menschen in meinem Berufsumfeld. Davon habe ich bisher hier zu meiner Freude schon sehr viele getroffen. Also wünsche ich mir, dass das so bleibt. Zweitens wünsche ich mir eine sinnstiftende Aufgabe. Auch das ist schon erfüllt. Und drittens wünsche ich mir, dass auf meine ersten Monate hier im PFH noch ganz viele folgen.
Mit welcher Person aus der Geschichte oder aus der Gegenwart würden Sie gern mal einen Kaffee trinken?
Ralf Stapelfeldt: Mit Barack Obama, weil ich ihn sehr inspirierend finde. Er hat die Gabe, Dinge in seinen Reden in einer berührenden Art und Weise auf den Punkt zu bringen. Er führt dabei grundlegende Werte von Menschlichkeit und Demokratie zusammen mit Realpolitik. Er ist ein begnadeter Redner, dem ich bis heute gerne zuhöre. Und witzig ist er auch noch.
Pestalozzi-Fröbel-Haus, im Oktober 2021
Interview: Julia Kocher
Dieses Interview entstand für die Rubrik "Auf einen Kaffee mit..." des PFH-Newsletters vom 8. Oktober 2021.