Alice Salomon gründete 1908 die „Soziale Frauenschule“ (Haus III), die junge Mädchen professionell auf die soziale Hilfstätigkeit vorbereitete und wurde damit eine der bedeutendsten Sozialreformerinnen des 20. Jahrhunderts. Die heutige Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik „Alice-Salomon-Hochschule“ (ASH) in Berlin ist eine Nachfolgeeinrichtung der damaligen Sozialen Frauenschule.

Zur Person:

Alice Salomon wurde 1872 als viertes Kind einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin geboren. 

Nach ihrer eigenen Beschreibung – begann ihr Leben erst mit 21 Jahren, als sie 1893 an der Gründungsversammlung der Berliner „Mädchen- und Frauengruppe für soziale Hilfsarbeit“ teilnahm. Es war eine karitative Organisation, die von sozial aufgeschlossenen Berliner Bürger*innen ins Leben gerufen worden war. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete Alice Salomon ehrenamtlich im sozialen Bereich und lernte dabei das Berliner Arbeiter*innen-Elend kennen. 

1908 wurde sie Mitbegründerin und Leiterin der Sozialen Frauenschule Berlin, die professionell und systematisch junge Mädchen auf die soziale Hilfstätigkeit vorbereitete. Die heutige Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Berlin ist eine Nachfolgeeinrichtung der damaligen Sozialen Frauenschule. Noch vor Gründung dieser Einrichtung promovierte Alice Salomon 1906 an der Berliner Universität im Fach Volkswirtschaftslehre.

Zur zweiten Lebensaufgabe wurde ihr das Engagement in der deutschen und internationalen Frauenbewegung. Mit 28 Jahren wurde sie in den Vorstand der Dachorganisation der deutschen Frauenbewegung, dem Bund deutscher Frauenvereine, gewählt und diente diesem zuerst als Schriftführerin und später als stellvertretende Vorsitzende (bis 1920). 

Die Wahl zur ersten Vorsitzenden des Verbandes scheiterte an antisemitischen Strömungen im BDF und traf Alice Salomon tief. Freundlicher waren ihre Erinnerungen an die internationale Frauenbewegung, dem International Council of Women (ICW). An deren großen internationalen Kongressen in London 1899 und Berlin 1904 nahm sie begeistert teil und wurde 1909 auf der Versammlung in Toronto zur Schriftführerin gewählt.

1925 gründete Salomon die „Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit“, eine Institution zur Fortbildung von Führungskräften der Sozialarbeit mit einer eigenen Forschungsabteilung. Mit dieser Akademie wurden erstmals erhöhte Professionalisierungsansprüche an den sozial-pädagogischen Beruf gestellt - ähnlich wie in der „School of Social Service Administration“ des Teams Edith Abbott, Grace Abbott und Sophonisba Breckinridge in Chicago. Alice Salomon veröffentliche zahlreiche Schriften über Mutter- und Arbeiter*innenschutz, Wohlfahrtspflege und Ausbildungsfragen.

Zu ihrem sechzigsten Geburtstag 1932 wurden ihr hohe Ehrungen zuteil, so unter anderem auch ein Ehrendoktorat der Universität Berlin. 1933, nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten, verlor sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer pazifistisch-humanitären Positionen alle Ämter. Die „Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit“ löste Alice Salomon im Mai 1933 selbst noch auf, um der Liquidierung durch den Staat zu entgehen. 1937 wurde sie von der Gestapo zur Emigration gezwungen. Sie starb 1948 in New York, ohne dass sie bis dahin von den staatlichen Stellen angemessen entschädigt wurde.

Die Historikerin Dr. Adriane Feustel über Alice Salomon:


„Ich würde Alice Salomon vorstellen als eine der herausragenden Frauen des 20. Jahrhunderts, deren Engagement, Initiative und Konzepte bis heute wirken und für unseren Alltag, für unser Zusammenleben von grundlegender Bedeutung sind. Ich könnte z.B. erzählen, wie sie als junge Frau tatkräftig Klubs für junge Arbeiterinnen einerseits und gleichzeitig für junge Frauen des Bürgertums geschaffen hat und wie sie damit gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen einen ersten konkreten Schritt gegangen ist, um die Kluft zwischen den verfeindeten Klassen, zwischen Armen und Wohlhabenden zu überbrücken.“

Zur Übergabe der sog. „Personalakte Alice Salomon“ an das Archiv der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) erklärte PFH-Direktor Prof. Ludger Pesch 2022: 

„Die Personalakte dokumentiert nicht nur die brutale Entrechtung und Vertreibung Alice Salomons durch die Schergen des NS-Staats. Sie belegt auch, wie durch eine Verrohung der Sprache die Person Alice Salomons im Bewusstsein der Handelnden ausgelöscht und zur Unperson wurde. Die Entrechtung geschah schrittweise durch sich gegenseitig stützende bürokratische Winkelzüge. Und diese repressive Bürokratie endete nicht 1945: Die berechtigten Entschädigungsansprüche von Alice Salomon und ihrer Erben wurden bis in die 70er Jahre hinein durch Verschleppung aufgrund formaler Begründungen gemeinsam vom PFH und staatlichen Stellen in beschämender Weise abgewiesen. Auch hierauf muss sich ein „Nie wieder!“ beziehen, weshalb wir die bisher verschlossene Akte der wissenschaftlichen und allgemeinen Erforschung jetzt zur Verfügung stellen. Wir fühlen uns dem leidenschaftlichen bürgerschaftlichen und demokratischen Engagements Alice Salomons verbunden. Nicht zuletzt unterstützen wir deshalb den Antrag, ihr die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin zu verleihen.“

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