Als Kopie der Amerikanischen Liberty Bell wurde die Berliner Freiheitsglocke am 24. Oktober 1950 im Schöneberger Rathaus durch den Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter und General Lucius D. Clay eingeweiht. Jahrzehnte als physische Manifestation der Freiheit gefeiert, bildete sie zusammen mit dem Rathaus Schöneberg den Rahmen unzähliger Begegnungen, auf offizieller und informeller Ebene, inszenierte Freundschaftskundgebungen und spontane Protestbewegungen, die nach dem Umzug des Berliner Senats versiegten.
Mehr Informationen zur Geschichte der Freiheitsglocke finden Sie hier auf der Website des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg.
Im Projekt des Pestalozzi-Fröbel-Hauses arbeiteten verschiedene Institutionen, Initiativen und Künstler*innen mit Bewohner*innen Schönebergs, um kreative Methoden als Mittel des Austausches untereinander zu erproben und die persönliche und kollektive Bedeutung von Freiheit sichtbar zu machen.
Der multiprofessionelle Arbeitsansatz, das gemeinsame Lernen aus den verschiedenen Wissens- und Fachbereichen wie Kunst, Pädagogik und Geschichte bildete die Grundlage für die Konzeption und Durchführung von Workshops, in denen der Begriff und das Gefühl „Freiheit“ diskutiert, erforscht und visualisiert wurde.
Die in den einzelnen Projekten gesammelten Positionen wurden vom 24. Juni bis zum 9. Juli 2022 im Rathaus Schöneberg im Rahmen einer temporären Projektwerkstatt präsentiert und luden zu weiteren thematischen Auseinandersetzungen ein.
Projekte
Ein neues Monument für das Freisein
Kristen Cooper und Uli Westphal
Sternberg-Grundschule Benjamin Gerlinger
Die Symbolik der Berliner Freiheitsglocke ist tief mit der Geopolitik ihrer Entstehungszeit verflochten. Der Begriff der Freiheit hat sich seitdem verändert und droht im politischen Jargon zu einer bedeutungsleeren Sprachhülse zu werden.
Schüler*innen der Sternberg-Grundschule überdachten den Freiheitsbegriff, beschrieben, was er heute für sie bedeutet , was er symbolisiert und wie er ausgedrückt werden kann, und bezogen sich zugleich unmittelbar auf ihre Lebenswelt, Umgebung und persönliche Geschichten.
Sie aktualisierten und erfanden die Freiheitsglocke neu, indem sie gemeinsam eine facettenreiche Klangskulptur produzierten, die eine Vielzahl von gegenwärtigen Perspektiven, Hoffnungen und Wünschen rund um den Begriff Freiheit widerspiegelt.
Geräusche, die bei den Schüler*innen das Gefühl assoziierten, frei zu sein, wurden gesammelt und aufgenommen. In Anlehnung an die Zielsetzung der Freiheitsglocke produzierten die Kinder eine monumentale Klangskulptur. Sie gestalteten einzelne Paneele mit ihren eigenen Symbolen und Interpretationen und bildeten damit ein trichterförmiges Volumen, durch das die Klänge im Innern verstärkt wurden.
Zusammen mit der aktivierten Klangskulptur zogen die Schüler*innen mit den Künstler*innen zusammen von der Schule aus durch öffentliche Parks und über Bürgersteige zum Rathaus Schöneberg und installierten diese vor Ort.
Gedankengerüst
Dachil Sado
Ganztagsbetreuung der Stechlinsee-Grundschule Peter Engelke
Als Objekt des Erinnerns wurde der Gedenkstein an den Schriftsteller Georg Hermann auf dem Außengelände der Ganztagsbetreuung in der Bundesallee in Berlin-Friedenau zum Ausgangspunkt eines forschenden und künstlerischen Projekts. Fragen der teilnehmenden Kinder zu dem Schicksal des dort bis zu seiner Deportation nach Ausschwitz-Birkenau lebenden Schriftstellers boten den Anlass, um politische Entwicklungen und deren direkte Auswirkungen auf die Freiheit von Menschen in der Nachbarschaft besser zu verstehen.
Durch das prozesshafte, kreative Zusammentragen von Nachfragen, Gedanken und Kommentaren mit Wörtern und Formen entstand ein Gerüst, das dazu einlädt, Worte zu finden für etwas, das kaum vorstellbar ist. Nach und nach erschufen die Kinder eine vielschichtige und durchlässige Konstruktion als ein gemeinsames Gedankengerüst.
Das Projekt begleitete die hoffnungsvolle Frage, inwieweit sich individuelles und gemeinschaftliches Handeln gegenseitig bedingt und welche Verantwortung jede*r Einzeln*e hat, um sich gegenseitig vor dem Verlust von Freiheit zu schützen.
ausgraben, aussetzen, mobilisieren
Jeremiah Day
Öffentlicher Workshop
Das Rathaus Schöneberg als eine Ikone der Freiheit des Westblocks steht als Gegensatz zur Unterdrückung des Ostblocks. Doch das Gebäude weckt bei der Begehung auch Zweifel, ob alle Behauptungen und Manifestationen von Freiheit und Demokratie gültig sind. Jeremiah Day lud Bewohner*innen Schönebergs ein, über diese Diskrepanz zwischen Postulaten und Realitäten nachzudenken.
Ikonographische Deutungen, Schnitzereien, Gemälde, Details und Texte wurden aufgegriffen und als Material genutzt und interpretiert. Das Gebäude – als soziopolitisches Artefakt und lebendiger Ort – diente als Ausgangspunkt für improvisierte Sketch-Performances, die das Vorgefundene kritisch hinterfragten.
Welche Geschichten kristallisieren sich an diesem Ort heraus? Wo steht die Bürokratie im Weg, wo schützt sie? Welche Positionen nehmen die Workshop-Beteiligten gegenüber den politisch Verantwortlichen ein? Wie kann persönlicher Entfremdung konstruktiv entgegengewirkt werden?
Mit kreativem Sprach- und Bewegungsvokabular wurde im öffentlichen und privaten Raum experimentiert und agiert. So entstand eine Performance-Improvisation, in der Wege erkundet, Ecken und Kanten beleuchtet und der Blick auf leicht übersehbare Bedeutungen des Rathausgebäudes gerichtet wurde.
Schwörst Du?
Thomas Bratzke
Unbezahlbar – Freiwilliges Engagement Monika Fröhlich
Der Klang der Berliner Freiheitsglocke wird seit 1950 täglich um 12 Uhr als Form der Erinnerung eingesetzt. Zwischen 1950 und 1993 erklang sie zudem täglich im Programm des Senders RIAS Berlin – auch auf der Ostseite der Stadt. Wo waren Bewohner*innen Schönebergs, als sie die Glocke in der Vergangenheit hörten – im Park, auf dem Balkon, in der Küche, im Café? Wie erleben sie heute räumlich und gedanklich den Klang der Glocke? Wie stehen sie aktuell zu dem damals formulierten Freiheitsschwur – stimmen sie ihm zu oder sehen sie ihn eher kritisch?
Thomas Bratzke traf Zeitzeug*innen in der historischen Verwaltungsbibliothek im Rathaus Schöneberg, sammelte Erinnerungen und fügte persönliche Geschichten und Assoziationen zusammen. Über Gespräche entstand ein Prozess der künstlerischen Umsetzung und Transformation, der Gedanken und Gefühle in Töne umsetzt. Aus der so initiierten Erinnerungsaktion erwuchs eine Gemeinschaftsarbeit, deren Inhalte weder vorbestimmt noch kontrolliert waren.
Mit der kritischen künstlerischen Erinnerungsarbeit am politischen Thema des westlichen Freiheitsbegriffes, der im Freiheitsschwur als Zeichen des Widerstandes gegen totalitäre Regime und Diktaturen zur Zeit des Kalten Krieg medial postuliert wurde, wurden gegenwärtige Beziehungen zu diesem Freiheitsverständnis ermöglicht und in Form eines Podcasts dokumentiert.
Freiraum – Free is Our Space
Irina Novarese und Antje Rieck
Ganztagsbetreuung der Sternberg-Grundschule Patrick Koch
Die Suche nach dem persönlichen Freiheitsbegriff stand im Mittelpunkt der performativ-bildnerischen Workshop-Begegnung der Künstler*innen Irina Novarese und Antje Rieck mit Kindern aus der Ganztagsbetreuung der Sternberg-Grundschule. Ihre gemeinsamen Erkundungen fanden über die individuelle Sprache sowie über Raumerkundungen unterschiedliche künstlerische Ausdrucksformen. Die Ergebnisse wiederum trafen sich als raumübergreifende multimediale Installation, die zwischen Skulptur, Demonstration und Chorus angesiedelt war und Einblicke in die Bedeutung von Freiräumen für Kinder gibt.
Die Kinder hatten die Möglichkeit, ihre Wahrnehmungen spielerisch zu erforschen und gleichzeitig über Archivmaterial und den Dokumentarfilm „Die Freiheitsglocke von Berlin“ sich der Geschichte des Rathaus Schönebergs zu nähern. Historische Zeitdokumente der Nachkriegszeit boten den Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen - wie Demonstrationen vor dem Rathaus, Versammlungen während der Luftbrücke, des Mauerbaus, des Kennedybesuchs und zur Maueröffnung 1989. Sie schilderten das menschliche Umfeld der Nachkriegsjahre, stimulierten das kreative Weiterdenken und führten hin zur Frage, was Freiräume für die Kinder, ihre Freund*innen und Familien, den Kiez ausmachen und wie sie gestaltet werden sollten.
Durch das Erinnern und Erzählen eigener Erlebnisse, die über Sprache und Bewegung, Experimentieren mit Texten und Raum in zwei parallellaufenden Workshops assoziiert wurden, entstanden mehrschichtige Gedankencollagen. Es formten sich empathische, persönliche Annäherungen an reale Geschehnisse, die zugleich Zugänge zu den Erfahrungen der Berliner Bevölkerung der Nachkriegsjahre schafften.
Imagine Freedom
Philip Kojo Metz
Nachbarschaftszentrum Steinmetzstraße Hamad Nasser
Viele Bewohner*innen mit Fluchterfahrung sind in den letzten Jahren nach Schöneberg eingewandert. Der Kampf um Freiheit spielt eine zentrale Rolle in ihrem Leben und demnach in ihrem Kiez.
Welche Vorstellungen von Freiheit hatten und haben sie? Hat sich der Begriff Freiheit verwirklicht, inwieweit hat er sich für sie verändert?
Die Entscheidung der Bundesregierung, im Jahr 2015 Geflüchteten die Flucht nach Deutschland zu ermöglichen, wurde zum Synonym für eine Willkommenskultur in die Freiheit. Freiheit und Demokratie werden als großes Geschenk von Zugewanderten beschrieben, Menschen aus Kriegsregionen mussten dafür einen hohen Preis bezahlen. Die neu erworbene Freiheit, in Sicherheit und ohne Angst zu leben, wurde oft mühsam unter dem Einsatz des Lebens erkämpft.
In öffentlichen Diskussionen wird immer wieder erwähnt, dass eine Zugehörigkeit mit Rechten und Pflichten verbunden ist. Zu den demokratischen Rechten zählen die politische Mitbestimmung und die Partizipation aller Bürger. Die Einhaltung und Festigung dieser historischen Errungenschaft ist letztlich von uns allen abhängig – die Berliner Freiheitsglocke erinnert an dieses essentielle gesellschaftliche Anliegen.
Im Kooperationsprojekt mit dem Künstler Philip Kojo Metz wurden Besucher*innen des Nachbarschaftszentrums Steinmetzstraße insbesondere aus dem arabischen Raum zum Freiheitsbegriff interviewt. Die Freiheitsglocke und das Schöneberger Rathaus wurden in Kontext zur eigenen Vergangenheit und Erfahrung mit Flucht und Kampf um persönliche Freiheit gesetzt.
Ich Du Wir
Viola Thiele mit A*BOUT
Öffentlicher Workshop
Die Berliner Freiheitsglocke als Symbol für Freiheit wurde standardmäßig in Miniatur als Porzellanobjekt an ausländische Staatsbesucher*innen überreicht. Als Souvenir existiert sie als Silberanhänger, als 0-Euro-Geldschein, als Briefmarke und taucht ebenso wie der Freiheitsschwur in unterschiedlichsten Darstellungsformen auf. Bis heute findet man ihr Motiv in Berliner Souvenirshops – obwohl sie u.a. durch den Umzug des Berliner Rathauses ins Rote Rathaus insgesamt an Bedeutung verlor.
Ein interaktiver Postkarten-Gestaltungs-Stand auf dem Flohmarkt vor dem Rathaus Schöneberg schuf eine kommunikative Situation unter Bewohner*innen Schönebergs und lud mit der Bereitstellung von historischen Zeitdokumenten in Form von Texten und Bildern die Besucher*innen ein, Gedanken zum Thema Freiheit zu formulieren. Die partizipative Installation nutzte die Idee hinter Postkarten, um kurze Informationen und Grußbotschaften über den Ort der Präsenz hinaus mit anderen zu teilen, und schuf damit einen räumlichen Transfer von persönlichen Botschaften zum Thema Freiheit.
Die dabei entstandene Sammlung von diversen State- ments auf Postkarten stellt mit Text/Bild-Collagen Verbindungen zwischen „damals“ und „heute“ her und visualisiert sowohl persönliche Tendenzen als auch gesellschaftliche Schnittmengen.
Die Gestaltaktion war ein dialogischer Austausch rund um Orte, Momente und Visionen, wo und wie man alleine und gemeinsam Freiheit empfinden und beschreiben kann.
Link zur Postkartensammlung:
Die Stadt der Freiheit
Ammar Hatem
AlliiertenMuseum Berlin Veit Lehmann
Ganztagsbetreuung an der Sternberg-Grundschule Claudia Evers und Benjamin Miebes
Freiheit hat viele Formen: Meinungsfreiheit, Kultur und Identität, äußeres Erscheinungsbild, Glaubensfreiheit, Freiheit, in der Natur zu sein, weg von den Belastungen des Lebens und der Arbeit. Freiheit kann mit großen globalen Themen wie Solidarität und Umweltschutz verbunden sein oder mit der Unterstützung derjenigen, die sich für eine gerechtere und freiere Welt auf diesem Planeten einsetzen.
Die zukünftige Freiheit erfordert kreative Ideen, für erneuerbare Energien mit Wind und Sonne, um nachhaltiger und unabhängiger zu sein oder für interaktive künstlerische Gestaltungen, die dabei unterstützen, dass Menschen sich im öffentlichen Raum freier ausdrücken können.
Im Projekt „Die Stadt der Freiheit“ des Künstlers Ammar Hatem nahm die Freiheit der Zukunft Gestalt an, indem mit Ton und Farben verschiedene Freiheitsgedanken in Form von imaginären Gebäuden, Statuen, Kunstwerken und Erfindungen zum Ausdruck gebracht wurden.
Eine Stadt wurde kreiert, die modern, umweltfreundlich, frei von Plastik und fossilen Brennstoffen sei kann, eine Welt wurde imaginiert, frei von Kriegen, Diskriminierung und Rassismus.
Die im Workshop entstandenen futuristischen Entwürfe über Freiheit aus individueller Sicht können real oder imaginär sein. Die Schüler*innen waren eingeladen, sich an der Modellierung der Zukunft zu beteiligen.
Freedom on
Sarah Steiner
AlliiertenMuseum Berlin Veit Lehmann
Der Klang einer Glocke schafft es, Mauern und Grenzen zu überwinden. Die Freiheitsglocke im Rathaus Schöneberg ist Versprechen und Auftrag zugleich: die Freiheit West-Berlins nicht aufzugeben und die Freiheit jenseits der Mauer nicht zu vergessen. Als Garantiemacht waren in West-Berlin britische, französische und amerikanische Truppen stationiert. Heute stehen Segmente der Berliner Mauer als Erinnerung an ein eingelöstes Versprechen im AlliiertenMuseum. Doch die Glocke schlägt noch weiter und mahnt.
Ausgangspunkt des Projekts Freedom on – die Poesie des Augenblicks, die Poetik der Sekunde, die Ironie des Momentanen sind die von Thierry Noir bemalten Mauerstücke in der Ausstellung im AlliiertenMuseum. Sie fordern die Teilnehmenden auf, den Begriff der Freiheit und ihre Bedeutung für uns heute zu erforschen.
Welche Freiheit ist universell, welche individuell?
Mit malerischen Mitteln wurden in den Workshops Grenzen ausgelotet, überwunden oder neu gezogen. Gemeinschaftlich entstanden mehrere großformatige Malereien, inspiriert von Street Art und Populärmedien auf Leinwand bzw. Plane. Im Fokus stand dabei der Einsatz des gesamten Körpers. In Art und Weise der Entstehung, sowie der finalen Präsentation im Rathaus wurde zudem der Begriff der Grenze in Form einer Mauer hinterfragt und aufgelöst – vom festen Grund zum losgelösten Element im Raum.
Narrenfreiheit
Nicole Kehrberger
Fachschule für Sozialpädagogik des PFH Tatjana Weber
Der weibliche Clown Nicole Kehrberger ist davon überzeugt, dass die Entdeckung des eigenen Clowns ein enormes Potenzial für die Freiheit bedeutet. „Jeder Mensch hat seinen ganz persönlichen, inneren Clown. Ihn zu entdecken ist nicht immer einfach – aber ihn zu treffen ist ein ganz besonderer Moment im Leben.“ Wenn man diese Freiheit einmal für sich entdeckt hat, will man sie auch in der Gemeinschaft nicht mehr missen: Es ist eine Art Präventionsmaßnahme, um für den Schutz unserer Freiheit überzeugter einzutreten.
Im Clown-Workshop „Narrenfreiheit“ formte sich eine temporäre Gesellschaft, die gemeinsam aus der Konformität ausbrach. Die Beziehungen zwischen dem Einzelnen und der Gruppe wurden austariert, Vorurteile aufgedeckt und neue Positionen erfahrbar gemacht, sodass eine existentielle und solidarische Beziehung ins Bewusstsein rückte. In der Überschreitung von Grenzen und aus der Konfrontation mit sich selbst und anderen erwuchs ein subjektives Gefühl von Freiheit, das über den Moment hinaus nachhaltige Wirkung zeigen kann.
Tell me a story about freedom
Judy LaDivina
Paul-Natorp-Gymnasium und Ellen-Key-Schule
Die Berliner Freiheitsglocke ist ein symbolisches Stück Geschichte und zugleich Teil eines persönlichen Lebensweges: Judy LaDivina erlebte als queere jüdische Immigrantin in ihrem Leben viele Identitätskonflikte. In Berlin angekommen, lebte sie das erste Jahr in Schöneberg, hörte täglich die Klänge der Freiheitsglocke und fand zeitgleich die „Geräusche ihrer eigenen Glocke“. Ihr Weg von einer kleinen konservativen Stadt im Norden Israels zu den größten Bühnen Berlins war voller Schwierigkeiten, die sich in Berlin in Stärken verwandelten.
Die Künstlerin teilte ihre persönliche Geschichte mit Schüler*innen und zeigte auf, wie unsere Geschichte ein Teil unserer Gegenwart ist und zur Zukunft werden kann. Es ging darum, sich des langen historischen Weges zu erinnern, der bis zur erlangten Freiheit zurückgelegt werden musste, aber vor allem auch darüber nachzudenken, wie man daran wächst, die Freiheit zu erhalten und zu entwickeln. Freiheit braucht Akzeptanz und Respekt sich selbst und anderen gegenüber. Wie aber kann es gelingen, diese Freiheit zunächst in sich selbst zu erschaffen?
Judy LaDivinas Workshop generierte in offenen Gesprächen Fragen zu ihrer Reise nach Berlin und in die Drag-Welt, in der Geschlechterrollen und Diskriminierung von Minderheiten offen hinterfragt wurden. Um den Wert unserer Freiheit zu verstehen, wurden über persönliche Begegnungen und Verbindungen Fragen und Antworten gesucht.
Erzähl mir eine Geschichte zur Freiheit
Birgit Szepanski und Iris Wachsmuth
Neue Arbeitsgemeinschaft für Zeitgeschichte + SozioAnalysen e.V.
Anknüpfend an die vor über 70 Jahren für das West-Berliner Rathaus angefertigte Freiheitsglocke, die im Kontext des Nationalsozialismus und des Kalten Krieges steht, lotete das bildnerische Erzählprojekt aus, was „Freiheit“ für uns persönlich bedeuten kann. Zwischen Individuum und Gemeinschaft, Verantwortung und Autonomie, Denken und Handeln: Mit persönlich zusammengetragenen Bildern, Symbolen, Fotografien, Materialien und Elementen wie Fahnen, Bannern und Transparenten wurden zukunftsweisende Fragen gestellt, in denen es um Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit ging.
Die Künstlerin Birgit Szepanski und die Soziologin Iris Wachsmuth nutzten die Räume im und am Rathaus als einen mitlaufenden Hintergrund, auf dem sie historische und politische Zusammenhänge mit künstlerischen Interventionen verknüpften und so einen Rückbezug auf kritische und fragende Positionen zur Freiheitsglocke und ihren Implikationen ermöglichten. Die Teilnehmenden wurden ermutigt, sich mit geschichtlichen und politischen Narrativen zu verbinden und neue Erfahrungen zu machen. Ihre persönlichen Erinnerungen boten dabei ebenso direkte Anknüpfungspunkte wie der Goldene Saal mit seinen großen Gemälden.
Projektwerkstatt
Offen für Alle
Freitag, 1. Juli, Samstag, 2. Juli, Freitag, 8. Juli,
Samstag 9. Juli / 10:00 – 17:00 Uhr
Rathaus Schöneberg / Willy Brandt Saal
An vier Tagen öffnete die Projektwerkstatt Freiheit im Kiez allen Bewohner*innen und Besucher*innen Schönebergs die Türen! Ein Parcours mit Stationen lud zum Mitmachen und Weiterdenken ein. Zum Entdecken gab es die Ergebnisse aus den vorangegangenen Projekten, die von Künstler*innen konzipiert und in Workshops mit Schöneberger*innen realisiert wurden.
Die 6b der Sternberg-Grundschule hat ein „Neues Monument für die Freiheit“ erschaffen und die Freiheitsglocke als klingende Skulptur neu interpretiert (Kristen Cooper und Uli Westphal). Begleitet von einem Film (Peter Engelke), lud das „Gedankengerüst“ von Kindern der Ganztagsbetreuung der Stechlinsee-Grundschule zum Nachdenken über den Verlust von Freiheit ein (Dachil Sado). Die multimediale Installation von Kindern aus dem Ganztag der Sternberg-Grundschule gab unter dem Titel „Freiraum – Free is Our Space“ Einblicke in die Bedeutung von Freiräumen für Kinder (Irina Novarese und Antje Rieck). Die während der Aktion „Ich Du Wir“ auf dem Flohmarkt vor dem Rathaus gestalteten Postkarten warteten darauf versendet zu werden und an die Bedeutung von Freiheit zu erinnern (Viola Thiele und Silke Bauer). Die Malereien aus dem Workshop „Freedom on“ präsentierten sich als schwebende Mauern und stellten die Idee von Grenzen in Frage (Sarah Steiner). Interviews mit Besucher*innen des Nachbarschaftszentrums Steinmetzstraße gaben unter dem Titel „Imagine Freedom“ Einblicke in persönliche Vorstellungen von Freiheit (Philip Kojo Metz). Gestaltete Banner und Fahnen aus dem Workshop „Erzähl mir eine Geschichte zur Freiheit“ symbolisierten ausgetauschte Erinnerungen über persönliche Momente von Freiheit (Birgit Szepanski und Iris Wachsmuth). Wie „Die Stadt der Freiheit“ in Zukunft aussehen könnte, war in der Modell-Landschaft von Kindern aus der Ganztagsbetreuung der Sternberg-Grundschule zu entdecken (Ammar Hatem).
Von jetzt auf gleich!
Improvisationstheater mit den Spätzündern
Theater der Erfahrungen
Mit Diethelm Wohnhas, Helga Geisler, Manuela Weitkamp-Smith, Karla Schulz, Ilka Inwinkl, Sylvia Wolff, Gaby Radloff, Anne Kratz, Eva Bittner
Das Theater der Erfahrungen als Theater der Befreiung: Ohne Text und Bühnenbild, dafür mit viel Energie und jeder Menge Beteiligung aus dem Publikum entstand aus dem Nichts ein Theaterprogramm. Die Zuschauenden wurden nach Begriffen, Themen, Spielorten, Wetter oder Stimmungen gefragt und sofort ging es spontan los auf der Bühne.
Freiheit und Nachbarschaft
Nachdenken am Beispiel von Fred Dewey
Wolfgang Heuer: Dewey auf Deutsch
Roundtable on Dewey’s example and legacy (in english)
Veranstaltung / Diskussion Kuratiert von Jeremiah Day und Rafael Kasper
Aufbauend auf Hannah Arendts Werk arbeitete Fred Dewey (1957-2021) an der Schnittstelle von Kultur und politischer Organisation in Los Angeles und Berlin. In Los Angeles war Dewey sowohl eine führende Persönlichkeit in der Poesie-Community als auch ein Organisator von Nachbarschaftsräten. In Berlin leitete Dewey Dutzende von Hannah-Arendt-Arbeitsgruppensitzungen und war ein wichtiger Teilnehmer an den Debatten über die Rolle der Kultur in der Stadt, insbesondere durch die Diskussions- und Organisationsplattform „Haben und Brauchen“.
Teils Memorial und teils Seminar über das Arbeitsleben eines Individuums, leistete das internationale Treffen mit Künstler*innen, Denker*innen und Kollegen*innen von Dewey an einem Round-Table-Format einen Beitrag zur Diskussion. In Erweiterung des Performance-Workshops von Jeremiah Day nutze die Veranstaltung die
einzigartige Rolle des Schöneberger Rathauses für die US-amerikanische und die deutsche Gesellschaft, um sowohl zurück- als auch vorauszublicken und aktuelle Fragen zu Kunst und Gemeinschaft aufzuwerfen.
Ding, Dang, Dong!
Anna Heidenhain
Workshop für Kinder
Glockenfabrik und Freiheitsschmiede: Aus unterschiedlichen Materialien wurden mit Anna Heidenhain Freiheitsglocken gebaut, die alle ganz anders und am besten zusammenklingen.
Zu Gast in der Projektwerkstatt
Zwei weitere Veranstaltungen im Rahmen weiterer Kooperationsprojekte des PFH fanden aufgrund von inhaltlichen Überschneidungen in der Projektwerkstatt statt.
Wer bestimmt?
Fachaustausch frühkindliche kulturelle Bildung im Kontext von Museum und Kita
Im Rahmen von „Raum und Zeit – Kinder bewegen Museum“ (Pestalozzi-Fröbel-Haus, Jugend im Museum e.V., Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung)
Für Museumsmitarbeiter*innen, pädagogische Fachkräfte, Künstler*innen und Vermittler*innen
Ausgehend von der Leitfrage „Wer bestimmt?“ setzte sich der Fachaustausch interdisziplinär mit Möglichkeiten und Notwendigkeiten für selbstbestimmtes Handeln von Kindern auseinander und reflektierte Machtverhältnisse in Bezug auf Zusammenarbeit im Alltag. Mit Beiträgen aus Theorie und Praxis wurde gemeinsam ausgelotet, wie Machtstrukturen hinterfragt und verändert werden können
Sharing History
Multiplier Event Erasmus+ project shifting walls mit Özlem Sarıyıldız
Für Lehrer*innen, Multiplikator*innen und Künstler*innen und alle, die gerne erinnern möchten
Wie können individuelle Erinnerungen und persönliche Fotografien dabei helfen, Vergangenheit zu erinnern und eine demokratische kollektive Erinnerung zu bilden? Der Workshop „Sharing History“ mit der Filmemacherin Özlem Sarıyıldız lud zu einer experimentellen Begegnung ein. Die Teilnehmer*innen wurden gebeten, ein bis drei persönliche Fotografien mitzubringen, die im Kontext historischer Ereignisse stehen.
Projektdokumentation als pdf
Projektbeteiligung
Projektträger Pestalozzi-Fröbel-Haus
Projektleitung Silke Bauer (Kulturelle Bildung)
Projektlaufzeit September 2021 – November 2022
Schirmherrschaft Angelika Schöttler und Jörn Oltmann / Bezirksbürgermeisterin und Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg
Mitarbeit Projektwerkstatt Patrick Koch
Redaktionelle Mitarbeit Renate Breitig
Mitarbeit Website Thomas Bratzke
Projektinitiatorin und künstlerische Projektleitung (Sept. 2021 – Febr. 2022) Antje Rieck
Unterstützung Auftaktveranstaltung Marie Mergler
Projektförderung Bundeszentrale für politische Bildung
Pädagogische Einrichtungen und Schulen des Pestalozzi-Fröbel-Hauses
Ganztagsbetreuung der Sternberg-Grundschule Patrick Koch, Claudia Evers, Benjamin Miebes
Ganztagsbetreuung der Stechlinsee-Grundschule Peter Engelke
Nachbarschaftszentrum Steinmetzstraße Hamad Nasser
Berufliche Schule des Pestalozzi-Fröbel-Hauses Tatjana Weber, Julia Trévin
Unbezahlbar – Ehrenamtliches Engagement Monika Fröhlich
Schulsozialarbeit am Paul-Natorp-Gymnasium Claudia Zimmermann
Arbeiten und Lernen – PiKaS Peter Reimers
Kooperationspartner*innen
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg Johann Fenster / Pressestelle
www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg
Sternberg-Grundschule
www.sternberg-grundschule.de
Ellen-Key-Schule Richter
www.ellen-key-schule.de
AlliiertenMuseum Berlin
www.alliiertenmuseum.de
Theater der Erfahrungen – Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.
www.theater-der-erfahrungen.nbhs.de
Neue Arbeitsgemeinschaft für Zeitgeschichte + SozioAnalysen e.V.
www.neue-ag-fuer-zeitgeschichte.org
Herzlichen Dank an
Prof. Ludger Pesch, Thomas Glaw, Grazian Pustelnik, Johann Fenster, Jochen Gößmann, Angela Bastian, Paulina Radloff, Caio-Daniel A. Rammacher, Rijkje Mulder, das Team des Flohmarkts Rathaus Schöneberg, den Juxirkus, den Kinderfreitzeittreff Menzeldorf und die Jugendlichen von Arbeiten und Lernen
Das Projekt wurde unterstützt durch die Bundeszentrale für politische Bildung