Das Pestalozzi-Fröbel-Haus war die erste Bildungseinrichtung, die Frauen eine anerkannte Ausbildung zur Kindergärtnerin ermöglichte. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich das Pestalozzi-Fröbel-Haus zu einer bekannten Ausbildungsinstitution für Mädchen und Frauen sowie zu einer beliebten Bildungseinrichtung. Um die Jahrhundertwende galt das PFH als das Vorbild für moderne, fortschrittliche Pädagogik und beeinflusste Ausbildungs- und Praxiskonzepte in ganz Europa und darüber hinaus. Das heutige PFH ist eine der traditionsreichsten Fachschulen für die Erzieher*innenausbildung in Deutschland.
Erfahren Sie mehr über die Meilensteine der PFH-Geschichte
Am 16. Mai 1874 gründet Henriette Schrader-Breymann das PFH als „Berliner Verein für Volkserziehung“. Der Verein ist zunächst Träger eines Volkskindergartens. In der Gründungsschrift wurden die Erweiterung und Verbesserung der Kleinkinderfürsorge und der Jugenderziehung sowie die Ausbildung von Frauen für Hauswirtschafts- und der Erziehungsberufe als Ziel genannt.
In dieser Zeit sind Frauen von der Teilhabe an vielen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen, sie haben bspw. kein Recht auf höhere Bildung und kein eigenständiges Recht auf Erwerbstätigkeit.
Im bescheidenen Rahmen und in angemieteten Räumen beginnt Henriette Schrader-Breymann mit dem Auf- und Ausbau des PFH. Sie gliedert dem Kindergarten bald ein Kindergärtnerinnen-Seminar an und beginnt einige junge Mädchen in die Fröbel- und Kindergartenpädagogik einzuführen.
Schrader-Breymann entwickelt für die pädagogische Arbeit die damals innovative „Methode des Monats- oder Konzentrationsgegenstandes“, die bis heute in der Elementarpädagogik Anwendung findet. Ausgangspunkt dieses ungefähr vier Wochen umfassenden Planes sollten die Jahreszeit, die örtlichen Verhältnisse (Stadt, Land) und das Alter der Kinder sein.
1878 werden Handfertigkeitskurse für Schulkinder (Arbeitsschule) eingerichtet, in denen gestrickt und genäht sowie Laubsägearbeiten gelehrt werden. Ein Jahr später wird eine Elementarklasse angegliedert.
1880 werden alle Vereinseinrichtungen in der Steinmetzstraße zusammengefasst. 1881 kommt ein Mädchenheim als eine weitere Einrichtung hinzu.
Hedwig Heyl (eine Schülerin Henriette Schrader-Breymanns) gründet die erste Koch- und Haushaltungsschule (Haus II) für Frauen in Deutschland.
Die zunehmende Ausdifferenzierung der Fürsorge-, Erziehungs- und Bildungspalette erfordert einen Neubau.
Es werden zwei stattliche Gebäude (PFH I und PFH II) an der Ecke Kyffhäuserstraße / Barbarossastraße (ab 1914 Karl-Schrader-Straße 7-8) gebaut.
Die Institution, bestehend aus Kindergarten, Vermittlungs- und Elementarklasse, Arbeitsschule (Hort), Koch- und Haushaltsschule, Mädchenheim, Mittagstisch für Kinder sowie Kindergärtnerinnenseminar, bezieht die neuen Räume in Schöneberg.
Nun ist es dem Verein für Volkserziehung auch möglich, eine Krippe in sein Programm aufzunehmen.
Der Krippenbetrieb wird am 16.10.1898 im Nachbarhaus des PFH I eröffnet. Nach einigen Wochen verpflegt der Verein bereits 25 Säuglinge und Kleinstkinder bis zu drei Jahren. Die Krippe hat von 6 bis 21 Uhr geöffnet und kostet eine Mark pro Woche.
Alice Salomon gründet mit der Unterstützung und Förderung des Vereins für Volkserziehung die „Soziale Frauenschule“ (Haus III).
Die Ausbildungsstätte dient der Vorbereitung junger Mädchen und Frauen auf freiwillige, ehrenamtliche oder berufliche Tätigkeit auf sozialen oder kommunalen Gebieten.
Noch heute existiert die Ausbildungsstätte als „Alice-Salomon Hochschule“ im Ortsteil Berlin-Hellersdorf, wohin sie 1998 übersiedelte.
Anfang der 1930er Jahre verfügt das PFH über vielfältige Angebote und zahlreiche Stätten der Kleinkinder- und Jugenderziehung sowie Kurse und Seminare für Sozial-, Haushaltungs- und Gesundheitsberufe:
Pestalozzi-Fröbelhaus I
1. Ausbildungsstätten:
Seminar für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen
Seminar für Jugendleiterinnen
Seminar für Werklehrerinnen
Kinderpflegerinnenschule
Sonderkurse
Praktikantinnenlehrjahr
2. Viktoria Heim (Internat für auswärtige Schülerinnen).
3. Wohlfahrtseinrichtungen:
Krippe, Kleinkinderstuben, Tagesheime für Klein- und Schulkinder, Volkskindergärten, Horte, Vorbereitungsklassen für schulunreife Kinder mit Gruppen für Schwererziehbare, Tag- und Nachtheime, Lehrlingsheime, Kinderlesestube, Landwaisenheim, Ferienlandheim.
4. Mütterschule (Kurse für werdende Mütter und Mütter).
5. Landtöchterschule für ländlichen Haushalt und Siedlung.
6. Stellenvermittlung.
Pestalozzi-Fröbelhaus II
1. Berufsvorkurse:
Haushaltungsschule A (staatlich anerkannt)
Haushaltungsschule B (staatlich anerkannt)
Lehrgang für Abiturienten
Hauswirtschaftlicher Halbjahreslehrgang
Hauswirtschaftliche Kurzkurse
Höhere Fachschule für Frauenberufe
2. Berufsausbildungskurse:
Lehrgang für städtische Haushaltspflegerinnen
Lehrgang für Wirtschafterinnen
Lehrgang für Meisterinnen der Hauswirtschaft
Zusatzlehrgang für Gewerbelehrerinnen an hauswirtschaftlichen Fachschulen.
3. Einzellehrgänge:
In Wäscheanfertigung, Maschinennähen, Schneidern, Plätten, Tisch decken und Servieren, Säuglings- und Krankenpflege.
4. Heim für auswärtige Schülerinnen.
5. Mittagstisch für Tagesschülerinnen und fremde Tischgäste.
Pestalozzi-Fröbelhaus III (Alice Salomon-Schule)
1. Staatlich anerkannte Wohlfahrtsschule:
Ausbildung zu Familien-, Gesundheits-, Jugendwohlfahrtspflegerinnen, Sozialarbeiterinnen für Arbeits- und Berufsamt etc.
2. Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit:
Ausbildung von Sozialarbeiterinnen, Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen (und ähnliche Berufsgruppen) für höhere Verwaltungsposten, Weiterbildungskurse für Hauswirtschafterinnen, Forschungsabteilung zu ökonomischen, soziologischen und sozialpsychologischen Fragestellungen usw.
3. Internat im Heimathaus, Magdeburgerstraße 7.
Pestalozzi-Fröbelhaus IV
1. Berliner Seminar für Sozialarbeiter
Ausbildung von Männern für die Bereiche Jugendwohlfahrt, Berufs- und Wirtschaftsfürsorge.
Der Machtantritt der Nazionalsozialisten bedingt eine rapide Wende. Die neuen Botschaften und deren Terminologie müssen kritiklos übernommen werden. Schon im April 1933 beginnt man mit der Gleichschaltung, zumal das PFH und die dazugehörenden Einrichtungen mit ihrem überregionalen exorbitanten Renommee und ihrem Know-how von Interesse für die neuen Machthaber sind. Jüdische und „nichtarische“ Lehrkräfte werden entlassen. Die Lehr- und Lerninhalte in den Schulen sowie die Pädagogik in den sozialpädagogischen Einrichtungen der Wohlfahrtspflege müssen sich der herrschenden Ideologie anpassen.
Wer eine Ausbildung absolvieren will, muss neben dem Nachweis der „arischen Abstammung“ die Mitgliedschaft in einer NS-Organisation, beispielsweise im „Bund deutscher Mädchen“, vorlegen. Juden/Jüdinnen und den NS-Machthabern unangenehme Lehrkräfte erhalten Haus- oder Berufsverbot.
Auch Alice Salomon wird all ihrer Ämter enthoben. Bereits am 5. Mai 1933 hat sie ihre „Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit“ selbst aufgelöst. Die Soziale Frauenschule, die noch 1932 den Namenszusatz Alice Salomon erhielt, wird in eine staatlich anerkannte „Schule für Volkspflege“ umgewandelt.
Der Berliner Verein für Volkserziehung wird aufgelöst und das PFH in eine öffentliche Stiftung umgewandelt.
Im November 1943 werden das PFH I, zwei Nebengebäude und der Ostflügel des PFH II zerstört. Die zunehmenden Luftangriffe der Alliierten erschwerten die Weiterarbeit in den PFH-Einrichtungen ungemein.
Nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur begann sehr bald der äußere und inhaltliche Wiederaufbau des PFH, der viele Jahre in Anspruch nahm. Zuerst mussten die zerstörten Gebäude, wenn auch nur notdürftig, instandgesetzt werden.
Die Soziale Frauenschule wird 1971 in eine Fachhochschule für Sozialarbeit umgewandelt und damit organisatorisch aus dem Pestalozzi-Fröbel-Haus ausgegliedert, bleibt aber bis zum Umzug nach Hellersdorf 1998 auf dem Gelände.
1972 wird die “Hauswirtschaftliche Berufsfachschule” geschlossen. Seitdem liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Pestalozzi-Fröbel-Hauses auf dem sozialpädagogischen Bereich.
Im Jahr 2000 entwickelt das Pestalozzi-Fröbel-Haus, inspiriert durch ein englisches Regierungsprogramm, Early Excellence zu einem eigenen pädagogischen Ansatz: dem Berliner Modell.
Die Kernideen von Early Excellence sind bereits von Anfang an in der Tradition des PFH verankert: Seit seiner Gründung im Jahr 1874 stehen eine ganzheitliche Elementarbildung, die Berücksichtigung der Individualität und der familiären Hintergründe eines jeden Kindes sowie das Lernen im Spiel im Mittelpunkt der pädagogischen Konzeption des PFH.
Die Arbeit nach dem Early-Excellence-Ansatz bedeutet für das Pestalozzi-Fröbel-Haus die Weiterentwicklung einer bewährten Tradition und eines pädagogischen Konzeptes, das sich konstant an den aktuellen Bedürfnissen von Kindern und ihren Familien ausrichtet.
Heute ist das PFH eine Berliner Stiftung des öffentlichen Rechts und Vorbild für fortschrittliche Pädagogik.
Als Träger von Ausbildungsstätten für Erzieher*innen sowie Einrichtungen der sozialpädagogischen Praxis wie Kindertagesstätten, Ganztagsbereiche an Schulen, Familienzentren, Beratungsstellen, Projekte der Jugendsozialarbeit u.v.m. arbeiten wir aktiv an 60 Standorten mit Angeboten, Projekten, Einrichtungen und Schulen.
Mit dem Ziel kontinuierliche Qualität zu gewährleisten, bieten wir ebenso Fort- und Weitertbildungen an.
Derzeit sind etwa 750 Mitarbeiter*innen am Pestalozzi-Fröbel-Haus beschäftigt.