Im Kontext der geplanten Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich hat unsere Kollegin Scarlett Edosah, Schulsozialarbeiterin in der Schinkel-Grundschule, eine Stellungnahme verfasst. Wir danken ihr für diesen wertvollen Beitrag!

Die geplanten Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich bedrohen nicht nur die Lebensqualität einzelner Menschen, sondern auch die langfristige Stabilität unserer Gesellschaft. Es ist dringend erforderlich, die Konsequenzen dieser Einsparungen umfassend zu verstehen und entschieden gegenzusteuern.

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Die psychische Gesundheit unserer jüngsten Generation ist ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Prioritäten. Bereits vor der COVID-19-Pandemie war klar, dass viele Kinder und Jugendliche in Deutschland unter psychischen Belastungen leiden. Die Pandemie hat diese Situation jedoch dramatisch verschärft. Laut der COPSY-Studie erleben etwa 40 % der Kinder und Jugendlichen eine Verschlechterung ihres psychischen Wohlbefindens. Angstzustände, Depressionen und psychosomatische Beschwerden sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Besonders betroffen sind sozial benachteiligte Kinder, die häufig in instabilen Lebensumfeldern aufwachsen und einen erschwerten Zugang zu Unterstützungsangeboten haben.

Die katastrophale Versorgungslage im psychotherapeutischen Bereich verschärft die Situation zusätzlich. Lange Wartezeiten, ein Mangel an Therapieplätzen und bürokratische Hürden machen es für viele Familien nahezu unmöglich, rechtzeitig Hilfe zu erhalten. Besonders dramatisch sind die Auswirkungen auf das Schulsystem: Pädagog:innen sehen sich zunehmend mit Schüler:innen konfrontiert, die aufgrund psychischer Belastungen nicht mehr am Unterricht teilnehmen können oder durch Verhaltensauffälligkeiten in Erscheinung treten. Ohne adäquate Unterstützung geraten Schulen an ihre Belastungsgrenze, was die Bildungsqualität für alle Schüler:innen beeinträchtigt.

Wirtschaftliche Konsequenzen einer vernachlässigten Bildungspolitik

Bildung ist mehr als ein individuelles Gut – sie ist eine Investition in die Zukunft unseres Landes. Doch diese Investition wird durch die geplanten Kürzungen aufs Spiel gesetzt. Wenn Kinder und Jugendliche nicht die Förderung erhalten, die sie benötigen, sind die Folgen absehbar: geringere Bildungsabschlüsse, schlechtere Berufsperspektiven und eine Zunahme sozialer Ungleichheit. Langfristig schwächt dies die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Die finanziellen Einsparungen von heute verursachen die Kosten von morgen: Höhere Sozialausgaben, steigende Gesundheitskosten und eine geringere Produktivität sind nur einige der negativen Auswirkungen. Besonders alarmierend ist die zunehmende Belastung unserer sozialen Sicherungssysteme, da viele der betroffenen Kinder später auf Transferleistungen angewiesen sein könnten. Die wirtschaftlichen Folgen dieser verfehlten Politik sind dramatisch – sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene.

Politische Versäumnisse und ihre Folgen

Die derzeitige Situation ist nicht allein das Ergebnis kurzfristiger Entscheidungen, sondern das Resultat jahrelanger politischer Versäumnisse. Obwohl Studien und Berichte immer wieder auf die Bedeutung frühzeitiger Investitionen in Bildung und soziale Unterstützung hinweisen, wurden notwendige Maßnahmen oft verschleppt oder unzureichend umgesetzt. Statt nachhaltiger Lösungen sehen wir Flickschusterei, die weder den akuten Bedarf deckt noch langfristige Verbesserungen ermöglicht.

Diese Politik der Unterlassung hat weitreichende Folgen. So ist etwa der Anstieg von Gewalt und Kriminalität eng mit sozialen Missständen und mangelnden Unterstützungsangeboten verbunden. Kinder und Jugendliche, die keine Perspektiven sehen und sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen, sind stärker gefährdet, in problematische Verhaltensmuster abzurutschen. Die Kosten für Polizei, Justiz und Prävention steigen dadurch erheblich, was die ursprünglichen Einsparungen ad absurdum führt.

Gefährdung vulnerabler Gruppen

Kinder mit Migrations- oder Fluchthintergrund sind besonders stark von den Kürzungen betroffen. Sie haben oft mit Mehrfachbelastungen zu kämpfen: Armut, Diskriminierung und eingeschränkter Zugang zu Förderprogrammen prägen ihren Alltag. Gerade diese Kinder sind jedoch auf spezielle Bildungs- und Sozialprogramme angewiesen, um ihre Potenziale entfalten zu können. Die Reduzierung dieser Angebote bedeutet nicht nur eine Verstärkung bestehender Ungleichheiten, sondern auch einen immensen Verlust für unsere Gesellschaft. Jedes Kind, das aufgrund mangelnder Unterstützung scheitert, ist eine verpasste Chance auf eine gerechtere und erfolgreichere Zukunft.

Konsequenzen für Lehrkräfte, Erzieher:innen und Schulsozialarbeit

Lehrkräfte, Erzieher:innen und Schulsozialarbeiter:innen sowie weiteres pädagogisches Personal tragen die Hauptlast der geplanten Kürzungen, da Schule der Ort ist, an dem Kinder verpflichtet sind zu sein. Schon jetzt sind sie durch überfüllte Klassen, steigende Anforderungen und unzureichende Ressourcen stark belastet. Der Wegfall von Unterstützungsstrukturen verschärft diese Situation dramatisch. Wenn Schulsozialarbeiter:innen ihre Arbeit nicht mehr in vollem Umfang leisten können, bleibt die gesamte Verantwortung bei den Lehrkräften und Erzieher:innen hängen. Das Ergebnis sind höhere Burnout-Raten, steigende Krankheitsausfälle und eine sinkende Bildungsqualität.

Schulsozialarbeit ist mehr als eine Ergänzung des Unterrichts oder die Brücke zur Jugendhilfe. Sie ist eine essenzielle Stütze für die psychische Gesundheit und soziale Entwicklung von Kindern. Ohne sie wird die Schule zu einem Ort, an dem Konflikte ungelöst bleiben und die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen übersehen werden. Die langfristigen Folgen sind fatal: Eine Generation von Kindern, die sich weder gehört noch unterstützt fühlt, trägt die Last dieser Versäumnisse in die Zukunft.

Im Bereich Schulsozialarbeit wurden die Sachmittel für das Jahr 2025 um 500 Euro pro Schulstandort gekürzt. Darüber hinaus wurde den Schulen bisher nur für das erste Quartal eine Zusage über die zur Verfügung stehenden Bonusmittel gegeben. Die Mittel selbst wurden gekürzt. Dies bedeutet mitunter eine Reduzierung der Arbeitszeit von Schulsozialarbeiter*innen, die über diese Mittel (teil-) finanziert werden. Wie es mit den Bonusmitteln sowie der Einführung des Startchancen Programms in diesem Jahr und der Weiterfinanzierung der Schulsozialarbeit im kommenden Jahr aussieht, ist derzeit noch völlig unklar.

Diese finanziellen Einschnitte haben erhebliche Konsequenzen für die Gestaltungsmöglichkeiten der Schulsozialarbeit:

  • Einschränkung präventiver Angebote und sozialpädagogischer Gruppenaktivitäten
  • Verminderte Unterstützung für Schüler:innen mit psychischen Belastungen und Verhaltensauffälligkeiten
  • Reduzierung individueller Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche und Familien
  • Höhere Belastung für Lehrkräfte und Erzieher:innen durch den Wegfall sozialer Unterstützungsstrukturen
  • Gefährdung der langfristigen Planungssicherheit für Fachkräfte in der Schulsozialarbeit
  • Qualitätsverlust auf Grund der Reduzierung von Supervision- und Fortbildungsmitteln

Bereits vor den Kürzungen war die Schulsozialarbeit nicht in der Lage, den tatsächlichen Bedarf vollständig zu decken. Mit den aktuellen Einsparungen wird die Situation weiter verschärft, was besonders für sozial benachteiligte Kinder gravierende Folgen hat.

 

Dringender Handlungsbedarf

Die geplanten Kürzungen sind nicht nur eine Frage der Finanzen, sondern eine Entscheidung über die Werte, die unsere Gesellschaft leiten sollen. Wenn wir weiterhin an der Zukunft unserer Kinder sparen, zahlen wir alle einen hohen Preis – sozial, wirtschaftlich und menschlich.

Es gibt Gegenentwürfe. Investitionen in Bildung und soziale Unterstützung sind keine Luxusausgaben, sondern essenzielle Grundlagen für eine stabile Gesellschaft. Es braucht:

  1. Stärkung der Schulsozialarbeit: Schulsozialarbeiter:innen benötigen angemessene personelle und finanzielle Ressourcen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden.
  2. Frühzeitige Interventionen: Programme zur Förderung von Resilienz und psychischer Gesundheit müssen ausgebaut werden.
  3. Chancengleichheit fördern: Besondere Unterstützung für benachteiligte Kinder, um soziale Ungleichheiten abzubauen.
  4. Nachhaltige Bildungsinvestitionen: Bildung muss als langfristige Investition in die Gesellschaft betrachtet werden.

Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt davon ab, wie wir heute handeln. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass alle Kinder eine faire Chance erhalten – denn sie sind die Grundlage für eine gerechte und stabile Zukunft.

Autorin: Scarlett Edosah

Bild: Hananeko_Studio