Henriette Schrader-Breymann, eine Großnichte Friedrich Fröbels, begründete 1874 in Berlin ein sozialpädagogisches Modellprojekt: das Pestalozzi-Fröbel-Haus. Zugrunde lag ihr Anliegen, eine anspruchsvolle, professionelle Ausbildung von Kindergärtnerinnen zu verbinden mit der innovativen Praxis eines „Volkskindergartens“, der als Erziehungsstätte für Kinder aller sozialer Schichten entwickelt wurde. Ausbildung und Praxisarbeit fanden von Anfang an auf demselben Gelände statt mit dem Ziel der gegenseitigen Inspiration und Bereicherung.
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Das PFH: Ein Vorbild für fortschrittliche Pädagogik

Das Pestalozzi-Fröbel-Haus war die erste Bildungseinrichtung, die Frauen eine akademische Ausbildung zur Kindergärtnerin ermöglichte. Zu Ende des 19. Jahrhunderts, als Frauen noch dazu angehalten wurden, sich auf Ehe und Familie zu konzentrieren, war dies ein revolutionärer Schritt. Die Gesellschaft betrachtete damals eine professionelle Beschäftigung mit Kindern noch nicht als eine öffentliche Aufgabe, und einer eigenständigen sozialen und pädagogischen Berufsarbeit von Frauen wurde kaum Verständnis entgegengebracht. Kindheit - ein Begriff, der noch nicht in das Bewusstsein des "normalen" Bürgers eingesickert war - wurde ausschließlich als Zwischenstufe zum Erwachsenwerden begriffen. Eine besondere Beschäftigung mit Kindern wurde als nicht notwendig erachtet. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich das Pestalozzi-Fröbel-Haus zu einer bekannten Bildungsinstitution für Mädchen und Frauen sowie zu einer beliebten Erziehungseinrichtung für Kinder. Um die Jahrhundertwende galt das PFH als das Vorbild für moderne, fortschrittliche Pädagogik und beeinflusste Ausbildungs- und Praxiskonzepte in ganz Europa.

Ganzheitliche Bildung

Henriette Schrader-Breymann orientierte sich an der Pädagogik von Friedrich Fröbel und Johann Heinrich Pestalozzi und erarbeitete eine Konzeption, die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern vereint und nach der sich Kindergarten und Familie gegenseitig ergänzen und stärken. Ihr war es wichtig, dass ein Kindergarten nicht zu einer vorverlegten Schule wurde. Es kam ihr nicht nur auf die Vermittlung von Wissen und auf die Förderung des Intellekts an, sondern praktiziert wurde eine allseitige, ganzheitliche Bildung. Der Kindergarten sollte auf das Leben vorbereiten und zu Verantwortung und Selbstständigkeit erziehen. Dazu gehörte auch, dass die Kinder im Einklang mit der Natur lebten und hier ihre eigenen Erfahrungen sammelten.

Kleine Gruppen und Förderung der Individualität

Um eine familiäre Atmosphäre zu schaffen und die Individualität der Kinder berücksichtigen zu können, löste Schrader-Breymann im „Volkskindergarten“ die damals üblichen Großgruppen von 50-60 Kindern in Kleingruppen mit etwa 12 Kindern auf. Die betreuenden Schülerinnen wurden angehalten, sich speziell um „ihre“ Kinder zu kümmern und sich auch über deren Familienverhältnisse und Lebensumstände zu informieren. Das Eingehen auf die Persönlichkeit eines Kindes und auf seinen Entwicklungsstand war ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit – zur damaligen Zeit eine ganz neue Herangehensweise. Bis heute ist der Verbund von Ausbildungsstätten und Praxiseinrichtungen im Pestalozzi-Fröbel-Haus bundesweit einzigartig. Er ermöglicht eine praxisnahe Ausbildung und garantiert eine hohe Qualität in allen Arbeitsfeldern des PFH.